Gedanken zwischen Himmel und Erde 2023
Geistliche Impulse
„Machet euch auf und werdet Licht. Denn dein Licht kommt“ (Jesaja 60,1)
Geistlicher Impuls Dezember 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
was für eine Freude ist es, dass dieses Jahr die Lichter am Adventsmarkt rund um das Schloss wieder brennen werden dürfen. Was für eine Freude, dass am 24. Dezember ein Heiliger Abend Gottesdienst, offen für Alle, in der Schlosskapelle gefeiert werden darf. Drei lange Jahre ist es her, seit diese Feste in der Diakonie Stetten zum letzten Mal gefeiert wurden.
Nun dürfen wir den biblischen Ruf, der zum Advent gehört, folgen: Machet Euch auf! Macht hoch die Tür! Die Toren macht weit! Machet euch auf und werdet Licht.
Diese Sätze sprechen vom großen Vertrauen, dass das was kommt, auch gut sein wird.
Im Psalm 24 ist die Rede von einem König, der kommt. Stark, mächtig und voller Ehre soll er sein. Im Adventslied „Mach hoch die Tür“ wird der, der kommt als Schöpfer, Heiland und Freudensonn beschrieben. Einer, der volle Rat und Tat ist, und Heil und Leben mit sich bringen wird. Und in dem alten Propheten Buch Jesaja werden wir ermutigt uns auf zu machen und selber Licht zu sein, denn das Licht selbst ist auf dem Weg zu uns Menschen.
Schön klingt das Alles. Und es ist auch schön. Es ist schön und sogar lebenswichtig Hoffnung zu haben. Es ist schön und Resilienz-spendend ein Grundvertrauen zu haben. Vertrauen, dass das, was auf mich und uns zukommt, zu bewältigen sein wird. Darin ist eine große Quelle von Lebenskraft.
Schön ist das, aber alles anders als einfach. Türe und Toren aufzumachen und offen zu halten birgt Herausforderung und manchmal sogar Gefahr. Zurzeit geht der Trend in Richtung schließen und sichern, eher als nach öffnen und aufmachen. Nicht nur weltweit werden Türe, Toren und Landesgrenzen dichtgemacht. Selbst in der Diakonie Stetten wurden oder werden, aus verschiedenen Gründen, einige Türe zugemacht und Dienste und Angebote eingestellt.
Was auf uns zukommt ist – und war immer – ungewiss. So wird es auch immer bleiben.
Darum ist es wichtig, schön und stärkend, dieses Jahr wieder Schulter an Schulter zu stehen und miteinander von offenen Türen und Herzen und Licht in der Dunkelheit zu singen. Darum kann es heilsam sein und vertrauensstärkend, Advent in voller Freude zu begehen und die Weihnachtsgeschichte vom Gottes Kommen in unserer Welt zu Herzen zu nehmen. Denn Advent und Weihnachten wollen uns Gewiss machen, dass wir nicht hilflos und ausgeliefert in der Zukunft schauen müssen.
Einer ist zu uns gekommen, der Frieden bringen wollte. Jesus, Gott in einer Krippe. Einer ist bei uns geblieben, der uns resilient machen will. Jesus, der auferstandene Lebensbringer.
Was für eine schöne (auch wenn nicht einfach) Freude kann es sein, zumindest die Türe und Tore unserer Herzen aufzumachen, in der Erwartung auf den, der auf uns zukommt. Der Heilbringer, der Freudensonn, der Schöpfer neues Lebens, das Licht selbst.
„Machet euch auf und werdet Licht. Denn dein Licht kommt“ (Jesaja 60,1)
Mit dieser biblischen Aussage und Ermutigung, wünsche ich eine schöne und freudige Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Ihre
Nancy Bullard-Werner
Pfarrerin
„…, denn mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker.“ (Jes 56,7)
Geistlicher Impuls November 2023
Dieser Vers aus dem Alten Testament, aus dem Buch des Propheten Jesaja befand sich als über dem Eingangsportal vieler Synagogen in Deutschland und dem benachbarten Ausland.
Befand, nicht befindet. Denn die meisten Synagogen in Deutschland, die diese Inschrift trugen wurden am 09.11.1938 in der Reichspogromnacht oder in deren Folge von den Nazis und ihren Helfern zerstört. Polizei und Feuerwehr schauten meist nur zu oder leisteten sogar noch Hilfe dabei.
Die meisten dieser Synagogen wurden in Deutschland erst ab der Mitte des 19.Jh. gebaut, weil es Juden davor in vielen Gemeinden schlicht nicht gestattet war zu leben, geschweige denn ein Gotteshaus zu errichten.
Mit den schon aus großer Ferne lesbaren und meist zweisprachig angebrachten Inschriften „ein Bethaus für alle Völker“ brachten Jüdinnen und Juden ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass ein friedvolles und sich gegenseitig bereicherndes Leben der drei abrahamitischen Religionen nebeneinander und miteinander möglich ist.
Der Prophet Jesaja bringt gar die Hoffnung zum Ausdruck, dass einst alle Menschen am Berg Gottes und im Haus des Herrn friedlich zusammenkommen, um den einen gemeinsamen Gott zu preisen. Verbindet die Menschen, die den einen Gott Abrahams kennen doch unendlich viel mehr als sie trennt.
Die Wirklichkeit hielt weder der Vision des Jesaja noch den Hoffnungen der „Israelitischen Gemeinden“ (so nennen sich die jüdischen Gemeinden in Deutschland vielfach noch heute) des 19 Jh. stand: statt Gemeinsamkeiten betonten viele Christen das Trennende und suchten Abgrenzung. Im 20. Jh. steigerte sich Deutschland in einen mörderischen Antisemitismus hinein, der versuchte, das Judentum und mit ihm Jüdinnen und Juden in ganz Europa auszulöschen.
Am kommenden Donnerstag, 9. November jährt sich die Reichspogromnacht der Nazis zum 85. Mal. Inzwischen ist die Erinnerung an dieses Ereignis auch ein Zeichen für die innere Umkehr vieler Christinnen und Christen. Nun suchen auch sie das Verbindende mit dem Volk, dessen Teil Jesu von Nazareth sein Leben lang war.
Doch in diesen Tagen des Jahres 2023 müssen Jüdinnen und Juden in Deutschland und überall in der Welt wieder Angst um ihr Leben und ihre sichere Existenz haben. Der Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober hat bei ihnen wieder die Erinnerungen an die jahrhundertelangen Verfolgungen und Pogrome geweckt, die sie in ihrer Geschichte ausgesetzt waren.
Doch nicht nur im Land Israel geht die Angst um. Auch hier in Deutschland, 85 Jahre nach der Pogromnacht, die sich „nie mehr wiederholen dürfe“ wagen Juden nicht mehr öffentlich Kippa oder einen Davidstern zu tragen, in öffentlichen Verkehrsmitteln hebräisch zu reden oder für einen jüdischen Sportverein Fußball zu spielen.
Das können wir als Christinnen und Christen, aber so hoffe ich auch Musliminnen und Muslime nicht hinnehmen. In der Diakonie Stetten arbeiten wir auch gerade aufgrund unseres Glaubens für das Wohlergehen der Menschen.
Der Glaube an den einen Gott, seine Botschaft an die Welt, sein Wille zur Versöhnung untereinander und des Friedens für alle Menschen verbindet uns. Noch preisen wir ihn in unterschiedlichen Häusern. Doch die Einladung Jesajas steht seit 2500 Jahren: „mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker“.
Wir stehen in der Pflicht, Jüdinnen und Juden in diesem Land einen sicheren Raum in diesem Haus und auf allen Straßen und Plätzen zu geben.
03.11.2023
Pfarrer Matthias Wanzeck
von Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl
Geistlicher Impuls Oktober 2023
Liebe Schwestern und Brüder,
am frühen Sabbatmorgen der letzten Woche haben Terroristen der Hamas Israel überfallen. Über 1.200 Israelis – junge wie alte – wurden brutal ermordet. Tausende wurden verletzt. Eine unbekannte Anzahl wurde entführt – darunter Familien mit Kindern. Israel kämpft um seine Existenz. Das Land ist im Krieg.
Wir sind erschüttert über diesen beispiellosen Terrorakt. Die menschenverachtende Brutalität der Terrorristen ist kaum auszuhalten. Als Christinnen und Christen, als ganze Evangelische Landeskirche, stehen wir an der Seite Israels und trauern mit den Menschen. Wir beten für die Entführten, für die Verletzten und die Angehörigen aller Opfer. Und wir klagen Gott unsere Sorge um die Zukunft und den Frieden. Vieles, was uns jetzt bedrückt, bringen wir vor Gott. Das Gebet ist der Ort dafür – auch das verbindet uns mit Israel.
Voller Sorge nehmen wir Hass und Antisemitismus auch in unserer Gesellschaft wahr. Jede und jeder von uns, aber auch wir als ganze Kirche sind aufgerufen hier klar Position zu beziehen. Der Wochenspruch aus dem Jakobusbrief für diesen Monat schärft uns das ein, wenn der Apostel schreibt: „Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“ (Jak 1,22)
Lasst uns also gemeinsam handeln, wie es Christen und Christen gut ansteht. Auf diesen Terrorangriff bezogen, heißt das für mich:
Wir treten jeder Form des Antisemitismus entgegen. Antisemitismus ist Sünde. Wer Juden hasst, wendet sich gegen Gott selbst. Antisemitismus zeigt sich etwa in Demonstrationen, die diesen Terrorakt feiern oder in Äußerungen, die Verständnis dafür äußern. Die Hamas ist der Täter. Israel ist Opfer. Nichts rechtfertigt dieses Morden.
Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Möglichkeiten nutzen, um ihre Solidarität mit den Menschen in Israel zu zeigen und der Relativierung dieses Verbrechens zu begegnen.
Großer Gott,
wir klagen Dir das große Leid in Israel.
Du siehst den Schmerz und die Tränen der Menschen.
Die vielen Toten und Verletzten, die Entführten – Kinder, Frauen und Männer.
Beende das Töten und den Terror. Stehe Du den Menschen bei.
Amen.
Stuttgart, 12. Oktober 2023
Ernst-Wilhelm Gohl
Landesbischof
Jesus Christus spricht: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? (Matthäus 16,15)
Geistlicher Impuls September 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
Jesus fragt seine Jünger: „Was sagt denn ihr, dass ich sei?“
Die Antworten der Zeitgenossen waren sehr gemischt. Neben wertschätzenden waren auch viele negative Zuschreibungen über Jesus im Umlauf: Gotteslästerer, Freund der Sünder, Aufrührer und vieles mehr.
Mit diesen negativen Zuschreibungen wurde Jesus aber nicht nur beschimpft, sondern die Herausforderung, die Jesus für viele Menschen bedeutete, wurde abgewehrt und in letzter Konsequenz kostete es ihn sein Leben.
Immer wieder werden Menschen durch Zuschreibungen abgewehrt, weil sie durch ihr Anderssein eine Herausforderung sind. So werden in unserer Welt Menschen -oft sind es Minderheiten- zu Opfern derer, die eine vermeintliche Normalität oder gar Überlegenheit für sich selbst in Anspruch nehmen. Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Altersdiskriminierung sind die üblen Auswirkungen.
Solche abwertenden und ausgrenzenden Zuschreibungen waren und sind meistens Vorboten für menschenfeindliche Handlungen. Die Sprache ist darum nicht nur unter philologischen und kulturellen Gesichtspunkten, sondern auch in ihrer Wirkmächtigkeit zu betrachten. Wer Menschen durch seine Wortwahl abwertet, oder monströs macht, der bereitet den Boden für Ungerechtigkeit oder Aggressionen.
Jesus wurde ein Opfer solcher Aggressionen. Als Gotteslästerer und Aufrührer wurde Jesus erst gefangengenommen, dann in einem Scheinprozess verurteilt und hingerichtet.
Darum war Jesu Frage „Wer sagt denn ihr, dass ich sei“ die Frage danach, wie seine Jünger ihn sahen und ob er auf sie zählen konnte. Die Antwort darauf hatte selbstverständlich Konsequenzen.
Angenommen, Jesus würde diese Frage an uns stellen. Vielleicht etwa so:
„Ihr nennt Euch Christen, also sagt mir doch, wer ich für euch bin?“
Wie würden wir antworten, z.B. als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Einrichtung der Diakonie, in der wir uns auf Jesus beziehen und Nächstenliebe als einen unserer Grundwerte benennen?
Ich denke, bei uns in der Diakonie könnte z.B. die Antwort lauten:
„Jesus, Du bist Mensch gewordene Liebe Gottes zu den Menschen.
Eine Liebe, die allen gilt und im Leben, Sterben und über den Tod hinaus mächtig ist.
Du hast niemanden abgewertet, sondern Dich den Menschen zugewandt, die ausgegrenzt waren und sie in die Gemeinschaft zurückgeholt.
Dein Geist bewegt und erfüllt auch uns und darum bemühen wir uns -hoffentlich erfolgreich- diese Liebe zum Nächsten zu leben, Ausgrenzung nicht zuzulassen und als Mitmenschen füreinander da zu sein.“
So in etwa würde vielleicht unsere Antwort aussehen und sie hätte selbstverständlich Konsequenzen. In unserem Miteinander und Füreinander, in unserem Respekt gegenüber jedem Menschen und in unserem Einsatz für gute Assistenz, Bildung und Pflege unter den Bedingungen unserer Zeit.
Ihr
Pfr. Rainer Hinzen
„Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.“ (Psalm 63,8)
Geistlicher Impuls August 2023
Mit einem starken Bekenntnis beschreibt David seine Beziehung zu Gott. Nach der Wüstenerfahrung, die David gemacht hat, wäre es jedoch gut nachvollziehbar, wenn ihm zum Klagen zu Mute gewesen wäre. Stattdessen fühlt sich David bei Gott geborgen und weiß um Gottes Schutz. David hat Gottes Hilfe erfahren und kann von Herzen jauchzen.
Wie aber sieht es bei mir aus? Fällt es mir leicht, meine Bedenken oder Bedürfnisse zu erkennen und diese auch zu äußern? Oder denke ich viel zu oft: „Das kann ich doch nicht machen! Sowas kann ich denken, aber doch nicht aussprechen.“
Da ist z.B. ein schwieriges Gespräch mit Angehörigen oder Kolleg*innen geplant oder eine Besprechung steht an, in die ich mit einem mulmigen Gefühl gehe. Es ist kaum möglich einen klaren Gedanken zu fassen. Ich fühle mich unvorbereitet und hilflos. Schließlich weiß ich ja, was an dem Gespräch hängt, und welche Konsequenzen folgen könnten.
Obwohl die Anspannung hoch ist, nimmt die Besprechung einen anderen Verlauf. Mitten im Gespräch eröffnen sich neue Perspektiven, an die noch keiner gedacht hat. Gemeinsam entstehen Ideen, wie wir das Problem gemeinsam lösen könnten. Plötzlich sind andere zur Seite, die mitmachen wollen, und es bieten sich neue Chancen. Zum Schluss ist alles geklärt und es ist sogar Freude zu spüren, die Situation neu anzugehen.
Mag sein, dass ich es nicht für angemessen halte, mich zu öffnen, wenn mein Gegenüber mir nicht so vertraut ist. Aber wenn ich mich traue, mich mitzuteilen und den anderen zu vertrauen, kann eine Wendung einkehren. Meine Offenheit kann die anderen ermutigen, sich ebenfalls zu öffnen.
Doch was steht tatsächlich hinter dem guten Ausgang einer heiklen Situation?
Wer vermag, die Weichen zu stellen, dass ich zum Zuge komme, dass mir etwas gelingt und ich stolz darauf sein kann?
„Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.“
Ich denke, dass wir den Schatten der Flügel nicht als bloße Deckung verstehen dürfen. Ich will mich nicht verkriechen, wenn´s ernst wird, obwohl auch ich meinen Zufluchtsort brauche.
Ich wünsche mir mutig und offen, liebevoll und menschlich Entscheidungen treffen zu können. Wie David möchte ich die Gewissheit haben, dass Gottes Hand mich hält und ich mich Gott anvertrauen kann.
Und ich möchte mir das Bild bewahren, dass Gott seine Flügel ausgebreitet hat, so dass David in Ruhe Pause machen konnte. Da, wo die Sonne zu heiß war, konnte David im Schatten sitzen. Eine Atempause für die Seele finden, und Kraft für die nächste Herausforderung schöpfen.
Angelika Greule
Jesus spricht: Liebt eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen! [...]
Geistlicher Impuls Juli 2023
Monatsspruch Juli 2023 - "Feindesliebe"
Jesus spricht: Liebt eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen! So werdet ihr zu Kindern eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über bösen und über guten Menschen. Und er lässt es regnen auf gerechte und auf ungerechte Menschen. (Mt 544f.)
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Mit dem 24. Februar 2022 ist alles anders geworden! Am 24. Februar ist Wladimir Putins mordende und zerstörende Armee in die Ukraine eingefallen. Sie hat Männer, Frauen und Kinder getötet, Häuser dem Erdboden gleichgemacht, Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, Kinder entführt und ein Volk um eine friedliche Zukunft beraubt.
Putin und seine Armee haben aber auch uns beraubt: gestohlen haben sie uns unseren fast kindlichen Glauben, nichts würde uns und unser gepflegtes und behütetes Leben jemals bedrohen. Eigentlich seien alle Menschen vom Prinzip her nett zueinander und zumindest so lange wir genug Geld haben, würde noch der größte Spitzbube lieber mit uns Handel treiben, als uns nach dem Leben zu trachten.
Echte Feinde waren in der Welt kaum zu finden. Ein skurriler Diktator in Nordkorea sorgt eher für Schmunzeln. Am ehesten kamen noch die Islamisten infrage, die aber mit ihrem unberechenbaren Terror aus dem Nichts und ohne Ziel seltsam ungreifbar sind.
„Liebet eure Feinde!“. Mit diesem Satz habe auch ich vor fast 30 Jahren argumentiert, als ich schriftlich in meiner Verweigerung des Wehrdienstes meine Beweggründe darlegen musste. Ich empfand diesen Satz aus dem Matthäus-Evangelium als den Gipfel menschlicher Moral. So erhaben, dass er die kleinliche und bornierte Weltsicht von Generälen und Politikern mit ihrer Abschreckungs- und Verteidigungslogik, die noch dem kalten Krieg entstammte, wie Butter in der Sonne schmelzen ließ.
„Feinde“ konnte ich mir ernstlich auch nicht vorstellen. Der einst als „böser Russ“ verunglimpfte östliche Nachbar hatte gerade im Antlitz Michael Gorbatschows dazu mitgeholfen, die DDR in Luft aufzulösen.
Vor meinem geistigen Auge konnte ich mir auch beim besten Willen keine realistische Person oder Macht imaginieren, die als „Feind“ mich und meine Welt hätte bedrohen oder gar zerstören wollen.
Mein milder Blick auf die Menschheit hat dann schon bald Risse bekommen. Das Erleben der Bedrohtheit des Staates Israels inmitten einer feindlich sich gebenden muslimisch-arabischen Welt bei meinem Studienjahr in Jerusalem, der brutale Bürgerkrieg in Jugoslawien, der Völkermord in Ruanda.
Spätestens mit dem 24. Februar aber der Kriegsherr Putin mit seiner kühlen Machtgier, seiner hemmungslosen Brutalität und seiner dreisten Propaganda eine ernsthafte Verkörperung der Vorstellung das abstrakte Bild des „Feindes“ gerade, wenn ich mich in die Ukrainerinnen und Ukrainer hineinversetze, mit Leben erfüllt. Das Wort „Feind“ kann ich plötzlich fühlen und gar körperlich spüren.
Der „Feind“ als eine echte Bedrohung meines Lebens, meiner Freiheit, meiner Würde und als eine riesige Zumutung für mein Gefühl für Gerechtigkeit und Moral. Von diesem Feind wünsche ich mir, dass er keinesfalls triumphiert. Dass er gestoppt wird. Dass sein verübtes Unrecht ans Licht kommt. Dass seine Schlechtigkeit beim Namen genannt wird. Dass die Täter bestraft werden. Dass die Opfer, soweit dies möglich ist entschädigt werden.
Was möchte Jesus von mir mit seiner Forderung, solch einen Feind zu lieben?
Will er mir in meiner Wut und Angst, ja vielleicht in der Demütigung, die ich durch den Feind erfahre noch das letzte nehmen, was mir bleibt: meine Verachtung für den als niederträchtig empfundenen Feind?
Natürlich nicht: Im Gegenteil – Jesus will uns befreien! Befreien davon, uns diesem Feind mit unserem Geist zu unterwerfen. Der Hass ist eine Haltung, die vor allen anderen uns selbst zerstört. ER verkrümmt uns in uns selbst, zwingt uns in eine Spirale, aus der wir nicht mehr herausfinden.
Jesus bringt uns mit dem Blickwinkel Gottes in Berührung, der seine Sonne über bösen und guten Menschen aufgehen lässt. Seine Güte gilt auch dem Bösewicht.
Das ist für uns Menschen manchmal kaum nachzuvollziehen und schwer erträglich. Und gleichzeitig ist es die Voraussetzung für Buße und Umkehr. Wer als Übeltäter keinerlei Gnade und Verständnis zu erhoffen hat, wird ewig in seiner Spur des Verderbens bleiben. Die Hoffnung auf Gnade hält die Tür zur Umkehr offen.
Dieser Blick auf Gott will auch uns erlösen. Wo Gott seine Sonne hin scheinen lässt, können vielleicht auch wir ein wenig Licht erkennen. Das kann eine Perspektive auf Vergebung und Umkehr öffnen. Zumindest bewahrt es uns vor zerstörerischem Hass.
„Liebt eure Feinde“ bedeutet nicht, Unrecht und Gewalt zu lieben, und spricht nicht dagegen, dort wo es notwendig ist, dagegen zu kämpfen. Aber wenn der Kampf vorbei und das Geschehene geschehen ist, stellt sich die Frage: Auf Rache sinnen oder die Hand reichen? Schritte zur Versöhnung müssen nicht erfolgreich sein, und machen dort, wo sie gelingen, die Welt nicht zum Paradies.
Aber sie eröffnen eine Perspektive auf eine bessere Welt!
Matthias Wanzeck
Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. (1. Mose 27,28)
Geistlicher Impuls Juni 2023
Dieser Segensspruch ist sehr positiv und für alle Menschen wünschenswert. Mein erster Eindruck war, dass alle Menschen in einer fruchtbaren und auch nachhaltigen Welt ohne Hunger leben könnten. Dies zu meiner ersten Deutung.
Hinter diesem Segensspruch steckt aber eine besondere Geschichte:
Zu der damaligen Zeit war es normal, dass der erstgeborene Sohn den Segen seines Vaters bekam. Es handelt sich um eine Stammesgeschichte des Volkes Israel.
Vater Issak und Mutter Rebekka hatten zwei Söhne. Diese waren Zwillinge, aber mit sehr unterschiedlichen Wesen und Charakteren. Der ältere Bruder hieß Esau und der jüngere Bruder hieß Jakob. Als der Vater Issak sein Lebensende kommen sah, gab er eigentlich seinem älteren Sohn Esau seinen Segen. Aber der Sohn, den er gesegnet hat, war nicht der ältere Sohn Esau, sondern der jüngere der beiden Brüder, nämlich Jakob.
Mit List hat der jüngere Sohn Jakob und seine Mutter Rebekka den Vater und den älteren Sohn getäuscht. Es handelt sich eigentlich um einen Streit zwischen Brüdern.
Der Segen aber entfaltete seine Kraft. Die Folge war, dass der Betrug entlarvt wurde. Am selben Abend floh der jüngere Bruder Jakob vor seinem wütendem Bruder Esau in die Wüste. Der Vater Issak lebte noch lange Zeit weiter.
Diese Geschichte wiederholt sich meiner Meinung nach in der ganzen Menschheitsgeschichte immer wieder, natürlich dem jeweiligen Zeitgeist bzw. dem Fortschritt angepasst. In der heutigen Zeit, zumindest in unserer westlichen Zivilisation ist man soweit, dass Gerechtigkeit bzw. Gleichstellung durch unsere Gesetzgebung geregelt ist, z.B. durch unser Erbrecht. Aber auch dieses kann durch List und Tücke, wie bei Esau und Jakob beschrieben, stattfinden, eben auf moderne Weise.
Ein anderes, nicht direkt vergleichbares prominentes Bespiel, ist „Prinz Harry“ aus dem britischen Königshaus. Hier kann man den Eindruck gewinnen, dass eine Erbfolge des „Erstgeborenen“ als fragwürdig und kritisch empfunden wird.
Aber auch die Segnung ist nach wie vor „top“ aktuell. Auf unserer Welt gibt es keine gerechte Verteilung, es gibt Hungersnöte, Kriege, Flucht, Unwetter und zunehmende klimatisch bedingte Katastrophen.
Dennoch müssen wir nach vorne schauen. Vor allem dieser Monatsspruch „Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle.“ ist positiv und stimmt uns optimistisch. Wir sollen nicht verzweifeln und Gewissheit bekommen. Gewissheit, dass Gott bei uns ist.
Nun die betreffenden Auszüge aus den Bibelstellen:
271 Und es begab sich, als Isaak alt geworden war und seine Augen zu schwach zum Sehen wurden, rief er Esau, seinen älteren Sohn, und sprach zu ihm: Mein Sohn! Er aber antwortete ihm: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Siehe, ich bin alt geworden und weiß nicht, wann ich sterben werde. 3 So nimm nun dein Gerät, Köcher und Bogen, und geh aufs Feld und jage mir ein Wildbret 4 und mach mir ein Essen, wie ich's gern habe, und bring mir's herein, dass ich esse, auf dass dich meine Seele segne, ehe ich sterbe. 5 Rebekka (Mutter) aber hörte diese Worte, die Isaak zu seinem Sohn Esau sagte. Und Esau ging hin aufs Feld, dass er ein Wildbret jagte und heimbrächte. 6 Da sprach Rebekka zu Jakob, ihrem Sohn: Siehe, ich habe deinen Vater mit Esau, deinem Bruder, reden hören: 7 Bringe mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, dass ich esse und dich segne vor dem Herrn, ehe ich sterbe. 8 So höre nun auf mich, mein Sohn, und tu, was ich dich heiße. 9 Geh hin zu der Herde und hole mir zwei gute Böcklein, dass ich deinem Vater ein Essen davon mache, wie er's gerne hat. 10 Das sollst du deinem Vater hineintragen, dass er esse, auf dass er dich segne vor seinem Tod. 11 Jakob aber sprach zu seiner Mutter Rebekka: Siehe, mein Bruder Esau ist behaart, doch ich bin glatt; 12 so könnte vielleicht mein Vater mich betasten, und ich würde vor ihm dastehen, als ob ich ihn betrügen wollte, und brächte über mich einen Fluch und nicht einen Segen. 13 Da sprach seine Mutter zu ihm: Dein Fluch sei auf mir, mein Sohn; gehorche nur meinen Worten, geh und hole mir. 14 Da ging er hin und holte und brachte es seiner Mutter. Da machte seine Mutter ein Essen, wie es sein Vater gerne hatte, 15 und nahm Esaus, ihres älteren Sohnes, Feierkleider, die sie bei sich im Hause hatte, und zog sie Jakob an, ihrem jüngeren Sohn. 16 Aber die Felle von den Böcklein tat sie ihm um seine Hände und wo er glatt war am Halse. 17 Und so gab sie das Essen mit dem Brot, wie sie es gemacht hatte, in die Hand ihres Sohnes Jakob. 18 Und er ging hinein zu seinem Vater und sprach: Mein Vater! Er antwortete: Hier bin ich. Wer bist du, mein Sohn?
19 Jakob sprach zu seinem Vater: Ich bin Esau, dein erstgeborener Sohn; ich habe getan, wie du mir gesagt hast. Richte dich auf, setz dich und iss von meinem Wildbret, auf dass mich deine Seele segne. 20 Isaak aber sprach zu seinem Sohn: Wie hast du so bald gefunden, mein Sohn? Er antwortete: Der Herr, dein Gott, bescherte mir's. 21 Da sprach Isaak zu Jakob: Tritt herzu, mein Sohn, dass ich dich betaste, ob du mein Sohn Esau bist oder nicht. 22 So trat Jakob zu seinem Vater Isaak. Und als er ihn betastet hatte, sprach er: Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände. 23 Und er erkannte ihn nicht; denn seine Hände waren behaart wie Esaus, seines Bruders, Hände. Und er segnete ihn 24 und sprach: Bist du mein Sohn Esau? Er antwortete: Ja, ich bin's. 25 Da sprach er: So bringe mir her, ich will essen vom Wildbret meines Sohnes, dass dich meine Seele segne. Da brachte er's ihm und er aß; und er trug ihm auch Wein hinein und er trank.
26 Und Isaak, sein Vater, sprach zu ihm: Komm her und küsse mich, mein Sohn!
27 Er trat hinzu und küsste ihn. Da roch er den Geruch seiner Kleider und segnete ihn und sprach: Siehe, der Geruch meines Sohnes ist wie der Geruch des Feldes, das der Herr gesegnet hat. 28 Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle.
Uwe Rudorfer
Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag. (Sprüche 3,27)
Geistlicher Impuls Mai 2023
Als ich mir Gedanken zu diesem Bibelvers machte, waren seit dem katastrophalen Erdbeben in der Türkei und Syrien erst 14 Tage vergangen.
Helfen ist angesagt, in jeglicher Form. Immer noch wurden Menschen nach dieser Zeit gerettet und die Unterstützungen werden noch Monate und Jahre erforderlich sein. Helfen ist angesagt, jeder auf seine Art und so wie er es vermag. Bedürftigen zur Seite stehen. Dies ist angesichts der Katastrophe ganz offensichtlich notwendig. Gutes tun für Menschen, die in Not sind - in Nah und Fern.
Die Situation, die Not und die Bedürftigkeit im Erbebengebiet ist offensichtlich. Auch in anderen Krisengebieten wird uns die Not täglich immer neu vor Augen geführt. Dabei übersehen wir manchmal das Naheliegende - die Bedürftigkeit unserer Mitmenschen, unserer Nachbarn, unserer Kolleg*innen.
Unser Sozialstaat sagt, dass eine Bedürftigkeit dann vorliegt, wenn die betroffene Person nicht oder nicht ausreichend in der Lage ist, ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu beschaffen. Wenn die Situation für die Person so eingetreten ist, dann greift unser Sozialsystem und unsere diakonischen und caritativen Einrichtungen bieten vielfältige Hilfen an - keiner soll durch das soziale Netz fallen. Wobei diese politische Aussage schon hinterfragt werden muss, denn die Wirklichkeit zeigt uns etwas Anderes.
Zur Zeit Salomos, aus der dieser Text stammt, gab es keine soziale Absicherung von Seiten des Staates. Auch ein Versicherungswesen existierte nicht, so wie wir es heute kennen. In Notsituationen waren die Menschen auf Hilfe anderer angewiesen. Ansonsten drohte die Armut. Und so ermahnt Salomo seine Mitbürger, Bedürftigen in dem Rahmen zu helfen, der einem jeden möglich ist. Nicht darüber hinaus. Tätige Nächstenliebe hat er gefordert mit den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen.
Reicht dann heute der Überweisungsträger für "Brot für die Welt" oder die "Katastrophenhilfe"? Reicht es dann, wenn wir Geld spenden und andere die professionellen Hilfen leisten?
Wenn ich die Übersetzung der Züricher Bibel heranziehe, steht dort anstelle von "Bedürftiger“ die Umschreibung "der ein Anrecht hat". In der "Guten Nachricht“ heißt es „Wenn ein Mitmensch Hilfe braucht und du ihm helfen kannst, dann weigere dich nicht, es zu tun."
Sobald ich den Schwerpunkt nicht mehr auf das heutige Verständnis des Sozialstaates von Bedürftigkeit lege, sondern meine Mitmenschen in den Blick nehme, erhalte ich einen ganz neuen Blick auf diesen Text. Die vermeintliche Hierarchie von Oben und Unten löst sich auf und die soziale Gemeinschaft nimmt Raum ein. Jeder ist bedürftig: Unsere Nachbarn, unsere Kollegen, unser Gegenüber und letztendlich aus der Spiegelbetrachtung, auch ich selbst! Und die Bedürftigkeit wird dadurch nicht mehr nur auf das Materielle allein gelegt, sondern auf weitergehende existenzielle Fragen des menschlichen Lebens.
Das bedeutet aber auch, dass wir Dinge anders wahrnehmen, anders erkennen müssen. Wir müssen mit wachen Sinnen unserer Umwelt begegnen, denn neben der offensichtlichen Bedürftigkeit, gibt es auch die verborgene Bedürftigkeit, die seelischen Verletzungen, die Einsamkeit, die Ausgrenzung. Es geht nicht nur um den Obdachlosen auf der Königstraße, um den Bettler am Straßenrand, es geht auch um meine direkten Mitmenschen.
Wir können uns diesem nicht entziehen! Wir haben einen Platz in der Gesellschaft und tragen Verantwortung für diese. Dabei verstehe ich Gesellschaft nicht nur als das ganze Große, sondern sehe auch die kleineren Teile, die eine Gesellschaft ausmachen - die Partnerschaft, die Familie, die Schule, den Arbeitsplatz, die kirchliche und örtliche Gemeinde, die Nachbarschaft, die Vereine…
Überall treffen wir auf Menschen, die Begegnung suchen und brauchen, die einfühlsame Worte und Verständnis sich wünschen oder die sich einfach nur über ein Lächeln, ein "Grüß Gott", ein „Hallo“ freuen. Dabei möchte ich keineswegs das Materielle ausblenden, denn auch auf diese Bedürftigkeit treffen wir an allen Orten. Im Rahmen unserer Möglichkeiten können wir etwas entgegensetzen, können Gutes tun! Lassen Sie uns heute damit anfangen.
Dietrich Bonhoeffer hat das nachfolgende Gedicht zu diesem Bibelvers geschrieben:
„Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn
deine Hand es vermag« (Sprüche 3, 27).
Wer ist der Dürftige? Jeder von uns.
Wer ist der, der von Gott empfangen hat zu geben? Jeder von
uns.
Weigere dich nicht – auf die Bitte nicht sofort nach Gründen
suchen, sie auszuschlagen – recht geben heißt
Gottes Gaben weitergeben, dass sie nicht als meine, sondern als
Gottes Gabe erkannt wird.
Die größte Gabe Gottes: Christus.
Weigere dich nicht.
Nicht hinausschieben, was du heute tun kannst, du machst deinen
Tag ärmer. Es kann morgen zu spät sein.
Hilfe ist nur dann Hilfe, wenn sie gebraucht wird, nicht wenn
es mir gefällt, sie anzubieten. –
Verschieben bedeutet ein Nicht-ernstnehmen der letzten Entscheidung
des Todes.
Jede Bitte kann letzte Entscheidung über uns sein.
Mit geplanten guten Taten rechtfertigen wir uns häufig.
Wir kommen uns gerecht vor, weil wir Gutes zu tun bereit sind,
aber auf das Tun allein kommt es an.“
Thomas Weiler
"Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende“ (Römerbrief 14,9)
Geistlicher Impuls Ostern 2023
Neulich haben wir im Theologischen Dienst eine Fortbildung zum Thema „Sterben, Tod und Trauer“ auf der Bildungsplattform der Diakonie Stetten ausgeschrieben. Es hat kaum eine Woche gedauert, bevor die Fortbildung nicht nur ausgebucht, sondern mit einer Warteliste versehen wurde. (Ein zweiter Termin ist inzwischen in Planung).
Scheinbar tun wir uns schwer mit diesen großen Themen. Wie begleite ich einen sterbenden Menschen? Was muss ich tun, wenn jemand stirbt? Was mache ich mit der Bewohnerin, die so sehr über ein verstorbenes Familienmitglied betroffen ist, dass sie vor lauter Trauer kaum zum Leben in der Lage ist? Gewiss kann einiges über die Begleitung von sterbenden und trauernden Menschen gelernt werden. Handgriffe und Rituale, die in der Stunde des Todes hilfreich sind, können eingeübt werden. Die eigene Haltung sowie die innere Überzeugung sind jedoch nicht gerade Dinge, die nach Schema und Plan gelehrt und gelernt werden können. Diese Aspekte brauchen Zeit, Erfahrung, Reflexion und eine eigene geistliche Einstellung um „reifen“ zu können.
Die Ostergeschichte, die uns durch den Frühlingsmonat April begleitet, gibt uns eine Basis für diese Reifung. Mit großen, mystischen Worte wird verkündet, „Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.“ Seit dem Anfang des Christentums prägt diese Botschaft unseren Zugang zum Sterben, zum Tod und zur Trauer.
Wir begleiten Sterbende in der Gewissheit, dass Gott das Leiden kennt und versteht. Wir lassen Menschen im Tod los mit dem Versprechen im Herzen, dass der Tod nicht das letzte und endgültige Wort über uns hat. Wir trösten die Trauernden mit der Hoffnung der Auferstehung. Eine Hoffnung, die unser Verständnis vom Tod, wie auch unsere Kraft zum Leben stärken kann und will.
Die Dichterin Marie Luise Kaschnitz hat diese Hoffnung wunderbar in eine Formulierung gebracht als sie schrieb, „Manchmal stehen wir auf / Stehen wir zur Auferstehung auf / Mitten am Tag / Mit unserem lebendigen Haar / Mit unserer atmenden Haut / Nur das Gewohnte ist um uns… / Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken… / Und dennoch leicht / und dennoch unverwundbar / Geordnet in geheimnisvoller Ordnung / Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“
Letztendlich spricht uns die österliche Botschaft die Hoffnung zu, dass wir mitten am Tag auferstehen können, dass wir uns ein Haus aus Licht vorstellen können, denn mit dem Tod ist nicht alles aus.
In diesen Wochen führt uns die Natur diese Hoffnung vor. Nach den dunklen Monaten der Winterstarre zeigt sie uns, Tag für Tag und Blüte für Blüte, dass unter dem Schnee und dem Eis der Ansatz für das wiederkehrende Leben schon immer da war.
Am Ende des Winters und nach drei Jahren Pandemie dürfen wir, mitten im Leben, eine Auferstehung erleben und genießen. Möge sie unsere Hoffnung speisen und unsere Haltung stärken. Und möge die Kraft, die von Ostern ausgeht, unser Herz und unseren Verstand berühren und uns (nicht nur im Sterben, Tod oder in der Trauer) Zuversicht schenken.
Pfarrerin Nancy Bullard-Werner
Sara aber sagte: Gott ließ mich lachen. (Gen 21,6)
Geistlicher Impuls Februar 2023
Wann hast Du, wann haben Sie das letzte Mal so richtig herzhaft gelacht?
Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir sofort Augenblicke und Situationen ein, in denen ich richtig schallend lachen musste. Schon wenn ich daran denke, löst das ein wohltuendes Gefühl der Freude in mir aus. Geht es Dir und Ihnen auch so?
Ein Ort, an dem in meinem Arbeitsumfeld viel gelacht wird, ist der Speisesaal. Ein beliebter Ort der Begegnung. Ein Ort, an dem sich Teilnehmende und Kolleg*innen in ihrer Pause treffen, sich Dinge erzählen, sich miteinander ärgern aber sich auch miteinander Freuen und gemeinsam lachen. Mein Eindruck ist es, dass das Lachen und die Freundlichkeit in diesem Raum die Atmosphäre überwiegend bestimmen.
Einige sind für ihr lautes, mitreißendes Lachen und ihre Fröhlichkeit wohl bekannt und schon beim Betreten des Saales strömt einem deren herzliches Lachen entgegen. Durch Corona-Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten und Maskentragen war diese wohltuende Ausdrucksform in den letzten Monaten und Jahren sehr eingeschränkt. Umso positiver nehme ich in den letzten Wochen wahr, dass lachende Gesichter wieder sichtbar und hörbar werden. Wie schön ist es, wieder ganze Gesichter sehen zu können. Das macht etwas mit mir, denn Lachen ist eine wesentliche Ausdrucksform des Menschen. Wenn Menschen miteinander lachen, wird Verbundenheit hergestellt, gegenseitige Sympathie gezeigt, Verständnis und Vertrauen entsteht. Lachen also lässt uns die Verbundenheit zwischen uns Menschen und zu Gott spüren. Lachen tut gut und erfüllt uns mit Glück.
In der Bibel wird Sara in Verbindung mit ihrem Sohn Isaak durch das Lachen charakterisiert. Sara lacht, als sie erfährt, dass sie einen Sohn erwartet. Und sie lacht über das Glück, einen Sohn zur Welt zu bringen. Sara und Abraham nennen ihren Sohn „Isaak“, was so viel bedeutet wie „Gott lacht“ oder „Er lacht“. Sara bringt damit ihre innige Beziehung zu Gott zum Ausdruck. Das Verb, von dem sich der Name Isaak ableitet, meint das fröhliche, schallende Lachen. Im Namen Isaak ist also schon das lachende Beziehungsgeschehen angegeben, bei dem Menschen miteinander befreiend lachen können.
Aber bevor Sara lacht, ist ihr Leben eine Zeit des Leidens und des Atemanhaltens. Sie leidet sehr darunter, dass sie und Abraham keine Kinder bekommen können. Dieses Leiden wirkt sich auch auf ihre Beziehung zu ihrem Mann und zu Gott aus. Erst als Sara in hohem Alter ist, spricht Gott seine Verheißung des Sohnes aus – und Sara lacht. Das Lachen beendet Saras Erstarrung. Durch das Lachen wird Saras Kinderwunsch von einer Bürde zur Hoffnung.
So wie Sara durch ein langes Tal der Tränen ging und durch die Geburt ihres Sohnes zu großer Freude kam und wieder lachen konnte, so wünsche ich auch Dir und Ihnen, dass die Hoffnung immer wieder Siegt über all die traurigen und schlimmen Dinge, die um uns herum geschehen. Gott nimmt uns in allen Phasen des Lebens an und ist bei uns. Wir dürfen im Vertrauen auf ihn glauben, dass er es gut macht – und lacht.
Mit diesen Worten möchte ich Dich und Sie einladen, auch die zahlreichen Geschenke des Lebens wahr zu nehmen und herzlich zu lachen! Es tut einfach gut und lässt uns hoffnungsvoll nach vorne blicken!
Roman Hanle
Gott sah an, was er gemacht hatte: Und siehe es war sehr gut.
Geistlicher Impuls Januar 2023
Wir leben in einer Welt, die von ständigen Wandlungen, Unsicherheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet ist, einer verunsicherten Welt.
Es gibt unterschiedliche Perspektiven, Interessen und Wissensstände und allzu oft erweist sich das scheinbar Gute als schlecht – und umgekehrt.
Auch in der Diakonie Stetten, in unserer überschaubaren Welt der sozialen Unterstützungsleistungen, ist nicht immer alles eindeutig und gut.
Ist z.B. das Bundesteilhabegesetz nur um den Preis einer überbordenden Bürokratie zu haben? Ist die fürsorgliche Zuwendung zum Menschen eine Bevormundung? Führt die Verselbständigung in Ambulanten Wohneinrichtungen zur Vereinsamung? Waren die Corona-Schutzmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen angemessen?
Wir können uns Eindeutigkeit und Klarheit wünschen, aber was wir erleben, ist oft mehrdeutig und unklar.
Ganz anders spricht die Bibel: „Gott sah an alles, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.“
Mich freut und ermutigt das sehr. Wenn die Welt „sehr gut“ geschaffen ist, dann können wir in aller Unklarheit und Mehrdeutigkeit unserer Wirklichkeit mindestens immer wieder das Gute suchen und versuchen, es so gut wie möglich zu machen.
Weswegen es auch Sinn macht und richtig ist, wenn wir nicht als gleichgültige Zuschauer passiv sind oder wütend und gewalttätig unsere Anschauungen durchzusetzen versuchen.
Wenn es auch vermessen wäre, es „sehr“ gut machen zu wollen, so gibt es meiner Meinung nach doch Maßstäbe dafür, was gut ist für die Menschen und die Erde, unseren Lebensraum.
Ich denke, dass gut ist, was dem Zusammenleben von Menschen im Geist der Nächstenliebe in Frieden und Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung dient.
Wenn es in diesem Sinn gut sein und werden soll, dann braucht es Menschen, die selbst unter schwierigsten Verhältnissen sich nicht einschüchtern und entmutigen lassen, sondern für das Gute eintreten. Die gibt es an vielen Orten der Welt.
Ich glaube, dass es auch in der Diakonie Stetten viele solcher Menschen gibt.
Ihnen allen wünsche ich, dass sie Kraft und Hoffnung daraus schöpfen, dass diese Welt sehr gut geschaffen ist und wir in diesem Glauben damit im Einklang sind, wenn wir Gutes schaffen und gut zu machen versuchen, was in unserer Macht und Verantwortung steht.
Pfarrer Rainer Hinzen