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„Der Horst ist toll“ - Zum Internationalen Tag des Ehrenamts: Ehepaar Kraft engagiert sich für die Wohngemeinschaft in Schmiden
Fellbach-Schmiden, 01. Dezember 2023 – Es braucht nicht immer große Taten und finanzielle Luftsprünge, um Gutes zu tun. Manchmal reicht schon ein relativ geringer Einsatz, um anderen Menschen über ehrenamtliches Engagement Unterstützung zu geben – und dafür auch selbst Zufriedenheit und Erfüllung zu erleben sowie schöne Momente zu teilen. Wie eine gelungene Einbindung von Ehrenamtlichen aussehen und unkomplizierte Integration vor Ort funktionieren kann, zeigt die vorbildliche Gemeinschaft im Fellbacher Ortsteil Schmiden, die es angesichts des „Tag des Ehrenamts“ am 5. Dezember einmal vorzustellen lohnt.
„So etwas kann man ja nicht planen, aber bei uns hat es sich einfach irgendwie ergeben und es ist etwas echt Besonderes“, sagt Horst Kraft, wenn er auf die letzten zwei Jahrzehnte zurückblickt. Fast genau 22 Jahre ist es her, dass dem alten Pfarrhaus der evangelischen Kirchengemeinde Schmiden neues Leben eingehaucht wurde. Am 4. Dezember 2001 wurde das große denkmalgeschützte Gebäude neben dem Rathaus direkt an der Hauptstraße nach längeren Umbauarbeiten zum ersten Mal von einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung der Diakonie Stetten bezogen und mit buntem Leben gefüllt. Seither leben meist acht Bewohnerinnen und Bewohner im schmucken Domizil und sind Teil einer beispielhaften Gemeinschaft mit Ehrenamtlichen vor Ort.
Klar ist: Gute Integration funktioniert nur, wenn sie von beiden Seiten gelebt wird und es auch menschlich passt. Das ist in der Ortsmitte von Schmiden der Fall. Großen Anteil daran haben vor allem auch Horst und Hannelore Kraft. Das Ehepaar ist von Anfang an mit dabei, Horst Kraft war als Kirchengemeinderat bereits in die Umbaumaßnahmen involviert und schaut seit 14 Jahren als Vorsitzender des Kirchengemeinderats danach, dass die Mitglieder der Wohngemeinschaft zu Festen und sonstigen Aktivitäten eingeladen werden. Sie sind mittlerweile feste Größen z.B. beim Kirchenbasar, Erntebitt-Gottesdienst – wo sie sogar schon öfters mit dem Pfarrer zusammen ein Lied gesungen haben – oder sonstigen Gemeindefesten. „Da haben wir schon viele sehr nette und lustige gemeinsame Nachmittage verbracht“, erinnert sich Hannelore Kraft. Aber auch gemeinsame Besuche in einer Besenwirtschaft oder Public Viewing beim „Fußball-Sommermärchen 2006“ privat im Garten der Krafts standen schon auf dem Programm. „Oh ja, das war wirklich schön“, sagt Bewohnerin Brigitte Tesche begeistert und gerät allein bei der Erinnerung wieder ins Schwärmen. „Ein Bier dürfen wir trinken“, hatte damals ein Bewohner gesagt – und alle, inklusive die Gastgeber, haben sich tatsächlich an die Vorgabe gehalten.
Überhaupt spielt Fußball mehr als eine Nebenrolle auf der Liste der gemeinsamen Aktivitäten. Immer wieder begleitet Horst Kraft, der früher als Fußball-Jugendtrainer beim TSV Schmiden engagiert war, die Bewohnerinnen und Bewohnern zu Heimspielen des VfB Stuttgart. Manchmal fährt auch seine Frau gemeinsam mit einigen Fußballinteressierten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Spielen, die 56-jährige Brigitte Tesche und der 33-jährige Andreas Sojka sind dann fast immer mit dabei. Als Andreas Sojka, der eine Trainingshose des VfB Stuttgart trägt, bei der Frage nach seinem Lieblingsspieler eine Weile überlegen muss, schlägt Horst Kraft eine Kompromissantwort vor: „Grad gfallat uns alle, gell? So gut wie`s grad bei der ganza Mannschaft läuft“. Andreas stimmt eifrig nickend zu und beide lachen laut los. Auf die Frage, wie er den Horst findet, muss Andreas dagegen nicht lange überlegen: „Der Horst ist toll“ kommt wie aus der Pistole geschossen und er klopft dem 74-Jährigen dazu anerkennend auf die Schulter. „Es ist auch schön und eine echte Entlastung für uns Betreuerinnen und Betreuer, wenn wir so eine Unterstützung durch Ehrenamtliche bekommen“, ist sich Tanja Merkle der Wertigkeit des Engagements bewusst.
Aber nicht nur die Highlights wie Fußballspiele und ein gemeinsamer Besuch bei einem Helene-Fischer-Konzert, auch die ganz normalen Begegnungen im Alltag sind ein wichtiger Teil im Gemeinschaftsleben und tun beiden Seiten spürbar gut. „Das Miteinandersprechen ist schön und gefällt mir. Die beiden hören auch gut zu und wir können zusammen viel lachen. Mit ihnen sind die Feschtle auch immer so luschtig“, erzählt Brigitte Tesche, die seit 2001 in der Wohngemeinschaft lebt und schon heute weiß, „dass ich hier nie mehr weg will“. Das Gesamtpaket stimmt eben.
Auch die Krafts möchten die Begegnungen und den Kontakt zur Gruppe nicht mehr missen. „Sie mögen einen echt, das ist so eine ehrliche Herzlichkeit“, sagt Horst Kraft und man glaubt es sofort, wenn man gesehen hat, wie er zur Begrüßung nacheinander von allen anwesenden Bewohnerinnen und Bewohnern jeweils herzhaft umarmt wurde. So etwas kommt auch gerne mal im Supermarkt oder sonstwo im Ort vor, wenn die Gruppe gemeinsam – und mit Bollerwagen – zum Einkaufen geht und man sich zufällig begegnet. Neben einem Schwätzle gibt es manchmal sogar auch noch einen Schmatzer auf die Backe. Solche und die anderen ehrlichen Ausdrücke der Freude sind für Hannelore und Horst Kraft in der heutigen, von vielen negativen Einflüssen und Stimmungen getrübten Zeit, etwas Bereicherndes.
Während andere Ehrenamtliche sich nach den Corona-Jahren zurückgezogen haben und manche Feste wie die große Weihnachtsfeier im Dietrich-Bonhoeffer-Haus nicht mehr stattfinden konnte, soll der Kontakt nun wieder intensiviert werden. „Durch die Coronazeit ist schon viel weggefallen“, sagt Tanja Merkle rückblickend. Aber das ist zum Glück vorbei. Die WG-Mitglieder sind sehr froh, wieder mehr am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.
Auf das Schnitzbiegel-Fest, das bereits kommendes Wochenende mitten im Ort stattfindet, freut sich Brigitte sichtlich und klatscht in die Hände. Nächsten Sommer soll es auch endlich mal wieder ein Freundesfest geben, damit wieder an die guten Vor-Corona-Traditionen angeknüpft und das Gemeinschaftliche mit mehr Leben und Sozialkontakten gefüllt werden kann. „Wir wurden hier in Schmiden so gut integriert, das möchten wir jetzt wieder mehr aufleben lassen“, sagt Tanja Merkle. Das Ehepaar Kraft steht auf jeden Fall bereit.
Text und Foto: Michaela Bareis
Info: Wer selbst Interesse hat, sich ehrenamtlich bei der Diakonie Stetten zu engagieren erhält nähere Informationen von Ehrenamtskoordinatorin Carina Gwinner, Mail: carina.gwinner@diakonie-stetten.de oder Telefon: 07151 940-2775