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Preiswürdige Inklusionsarbeit - Das ehrenamtliche Team der BikeBox leistet Hilfe zur Selbsthilfe für Jugendliche mit und ohne Behinderung

Kernen, 17. Oktober 2023 - Wenn es einen Satz gibt, der das ehrenamtliche Engagement von Tim Sanna und seinen Mitstreitern treffend beschreibt, dann wäre es wohl dieser: Die BikeBox Kernen ist in jeder Hinsicht eine runde Sache! Es dreht sich fast alles um Räder und Reifen. Aber nicht nur. Es dreht sich vor allem auch um vorbildliches und freundschaftliches Miteinander, um gesellschaftliche Verantwortung ohne große Worte, dafür mit zupackendem Handeln. Um echte Inklusionsarbeit eben. Die Ehrenamtlichen um ihren „Gründer“ Tim Sanna haben dafür im Sommer zu Recht den Gruppen-Ehrenamtspreis der Bürgerstiftung Kernen erhalten.

Während andere große Reden über theoretische Integration und Inklusion schwingen, krempeln die Ehrenamtlichen in der BikeBox einmal pro Woche die Ärmel hoch und praktizieren Inklusion unkompliziert direkt vor Ort. Statt Reden schwingen sie Werkzeuge, um Fahrräder, Kettcars und sonstige Fortbewegungsmittel wieder in Tritt zu bringen. Jeden Montag zwischen 15 und 19 Uhr ist die kleine Werkstatt auf dem Gelände der Diakonie Stetten am Schlossberg 84 besetzt, um für Kinder und Jugendliche sowohl von der Diakonie Stetten als auch für Externe (auch für Geflüchtete) Unterstützung für Reparaturarbeiten nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ anzubieten.

Im Idealfall reparieren die - eher männlichen Jugendlichen – ihre Fahrzeuge unter fachkundiger Anleitung und Beobachtung selbst, in kniffligen Fällen kümmern sich aber auch mal vorrangig die Ehrenamtlichen um die Problembehebung. Dann stehen wie am Montag auch mal vier Männer um ein einziges Fahrrad, tauschen sich aus und legen gemeinsam Hand an. Was vor allem aber daran liegt, dass an diesem Montag unterdurchschnittlich wenige Kunden da sind. 

„Früher war das teilweise genau anders herum, da stand ich alleine da mit fünf oder sechs Kindern und Jugendlichen und ihren Fahrzeugen um mich herum“, sagt Tim Sanna und lacht. Doch der 54-Jährige, der vor 16 Jahren alleine mit einem Koffer und einem mobilen Montageständer in das Projekt gestartet ist, ist froh, dass er nicht mehr den Alleinunterhalter spielen muss, sondern sich inzwischen auf weitere Helfer verlassen kann, die er unter anderem über die Kooperation mit dem Bürgernetz-Projekt „Roter Faden“ hinzugewonnen hat. Teilweise hat er die nicht vom Fach kommenden Ehrenamtlichen samstags durch Powerpoint-Präsentationen in den vorrangig anfallenden Arbeiten geschult. Geschult werden die Männer über die Diakonie Stetten nun auch nach und nach an mehreren Wochenenden als Inklusionsbegleiter, schließlich geht es in der BikeBox um einiges mehr als um Räder. Tim Sanna hat die Schulungen bereits vor Jahren absolviert, und im Umgang mit den anwesenden Jugendlichen mit Handicap zeigt sich, dass die Atmosphäre harmonisch, unaufgeregt und locker ist, aber auch immer klar bleibt, wer die Chefs in der „Box“ sind.

Die Kinder und Jugendlichen schauen gerne auch einfach mal so vorbei. Wie Filomena, die an diesem Montag mit ihrem kleinen Kinderwagen vorbeikommt, auch wenn es diesmal nichts zu reparieren gibt. „Haben wir aber auch schon gemacht“, sagt Tim Sanna und grinst. „Die Männer sind echt gut“, sagt die 15-Jährige anerkennend, die direkt gegenüber wohnt. Auch Marcel ist – wie fast jeden Montag - mit seinem Fahrrad vorbeigekommen. Während sein Fahrrad sonst oft „Durst hat“, also die Kette geölt werden muss, steht heuer eine größere Reparatur am Hinterrad an. Dazu steht das Fahrrad kopfüber auf einem Montageständer.

„Au, wer hot denn des eibaut“, ruft Walter Jantz plötzlich mit gespielter Empörung durch die Werkstatt. „Jetzt brauchet mir an 15er Schlüssel, dann kannsch glei nomol aufmacha“. Der 19-Jährige und die Ehrenamtlichen setzen die Arbeit gemeinsam fort. Als das Fahrrad fertig repariert ist, ist von Marcel allerdings nichts mehr zu sehen - er musste zum Abendessen. Damit entgeht den an der Reparatur Beteiligten in diesem Fall der Moment, der eigentlich am schönsten ist: Das glückliche und dankbare Strahlen im Gesicht der Kinder und Jugendlichen, denen geholfen wurde. „Dafür machen wir das Ganze“, sagt Tim Sanna. Die Freude und Dankbarkeit der „Kunden“ ist die Währung, mit der das ehrenamtliche Engagement aufgewogen wird. Und es ist genau das, was Tim Sanna und seine Mitstreiter bei der Stange bleiben lässt.

Dem gelernten Zweiradmechaniker ist daneben wichtig zu betonen, dass die BikeBox kein Ersatz für den Gang zum normalen Fahrradladen sein soll, zu dem diejenigen gehen sollten, die sich eine Fahrradreparatur finanziell gut leisten können: „Wir wollen und dürfen da kein Konkurrenzbetrieb sein“, sagt Tim Sanna. Gleichwohl möchte die BikeBox aber ausdrücklich denen Hilfe anbieten, die sie benötigen. Zum Beispiel Geflüchteten. Sie sind willkommen, auch wenn die Kommunikation teilweise nur mittels Übersetzungs-App funktioniert.

Seit Corona hat die Zahl der externen Besucher etwas abgenommen, daher kann sich das Team gut vorstellen, auch noch mehr Geflüchtete oder Bedürftige zu unterstützen. An gespendeten Fahrrädern, die schon viele Jahre unbenutzt im Keller gestanden sind und daher entsprechend poröse Reifen haben, hat die Box dagegen eher weniger Interesse. „Das ist zwar gut gemeint, kann aber gefährlich werden – oder teuer für die BikeBox“, sagt Uwe Joos, der seit diesem Frühjahr als Ehrenamtlicher mithilft. Hier müsste erstmal das komplette Verschleißmaterial ausgetauscht werden, bevor die Räder weitergegeben werden könnten. Dabei muss das Team sowieso schon viel Material wie Schläuche, Kette, Bremszüge etc. nachkaufen. Neben Reparaturarbeiten hat das Team auch schon „Spezialaufträge“ wie das Überprüfen der Fahrtüchtigkeit übernommen: Vor einer Fahrradtour mit Schülerinnen und Schülern der Rumold Realschule mussten alle Kinder bei der BikeBox vorbeikommen und durften nur teilnehmen, wenn die Ehrenamtlichen die Räder als „fahrradausflugtauglich“ eingestuft hatten bzw. nachgebessert wurde.

Info: Seit kurzem verfügt die BikeBox über eine eigene Website (www.bikebox-Kernen.de), die von Oliver Weiser gepflegt wird. Die Kontaktaufnahme kann nun also auch problemlos online erfolgen. Damit präsentiert sich die besondere Fahrradwerkstatt am Schlossberg nicht nur als komplett runde Sache, sondern auch noch zeitgemäß.

Die BikeBox hat noch den ganzen November geöffnet, die Ehrenamtlichen sind jeden Montag in zwei Schichten von 15 bis 19 Uhr anwesend. Die Werkstatt befindet sich auf dem Gelände des Kinder- und Jugendbereichs der Diakonie Stetten am Schlossberg 84 in Stetten.

Text: Michaela Bareis

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