- Diakonie Stetten
Mal kurz 80 Jahre alt sein
Die Diakonie Stetten war mit ihrer Soziale Berufe-Rallye zu Gast an der Raichberg Realschule in Ebersbach. Die Schülerinnen und Schüler der achten Klasse hatten bei der Berufe-Rallye die Möglichkeit, auf spielerische Weise soziale Berufe und Praktikumsmöglichkeiten kennenzulernen. Mithilfe von Selbsterfahrungselementen, wie z. B. einem Rollstuhlparcours oder einem Alterssimulationsanzug, einem Besuch des Förder- und Betreuungsbereiches für Menschen mit Behinderungen sowie im Austausch mit Auszubildenden erhielten sie Einblicke in soziale Arbeitsfelder.
Wie fühlt es sich an, auf einmal ein alter Mensch zu sein? Wie ist es, wenn man im Rollstuhl sitzt und von einer anderen Person geschoben wird? Wie schwierig ist es, mit einer Behinderung und im Rollstuhl um Hindernisse zu fahren? Das Klassenzimmer in der Raichberg Realschule wurde kurzerhand zu einem Testraum umgestaltet: Der 15-jährige Jannik legte sich mit Unterstützung von Nina Turck, Auszubildende zur Heilerziehungspflege an der Diakonie Stetten, eine rund zehn Kilogramm schwere Gewichtsweste an. An die beiden Hand- und Fußgelenke kamen jeweils Gewichtsmanschetten, auf die Ohren ein Gehörschutz und auf die Augen eine Brille, die eine Netzhautablösung nachbildet. Und los geht es: Jannik sollte über den Schultisch steigen und zwei Stifte vom Boden aufheben, was zu einer kleinen Herausforderung für den Schüler wurde. „Das war total anstrengend. Ich habe gar nichts mehr gehört und nur noch Umrisse gesehen.“ Seine Mitschülerin Reyhan meinte: „Ich habe mich sehr schwach gefühlt. Meine Beine haben richtig gezittert und ich hatte gar keine Kraft mehr“. „Du warst mal kurz 80 Jahre alt“, erklärte Nina Turck von der Diakonie Stetten. „Das hängt mit dem Muskelabbau im Körper zusammen. Wenn man älter wird, wird alles viel schwerfälliger. Außerdem sehen und hören ältere Menschen viel schlechter“. Im Hintergrund testete der 14-jährige Eren gerade den Rollstuhl und wurde von seinem Mitschüler Mikael geschoben. „Wenn man geschoben wird, fühlt man sich schon ziemlich hilflos. Das macht ein bisschen Angst“, so Eren.
Nach dem Ausprobieren der Selbsterfahrungselemente informierte Jana Maurer von der Personalabteilung der Diakonie Stetten, über die Möglichkeiten nach der Schule ein Freies Soziales Jahr oder ein Praktikum zu machen und welche sozialen Berufe in der Diakonie Stetten erlernt werden können. „So ein Freiwilliges Soziales Jahr macht sich immer gut im Lebenslauf, auch wenn man später dann doch keinen sozialen Beruf ergreifen will. Außerdem ist es eine tolle Erfahrung“, sagte Jana Maurer. Die Diakonie Stetten organisiert inzwischen seit zwei Jahren ihre Berufe-Rallyes, um auf soziale Berufe aufmerksam zu machen. Sie sind Teil des Programms zur Nachwuchskräftegewinnung. Rund zwölf Rallyes wurden bereits an den Schulen in der Region mit großem Erfolg organisiert. „Wir veranstalten die Berufe-Rallye im Rahmen unseres Sozialpraktikums an der Schule und freuen uns, dass wir mit der Diakonie Stetten einen tollen Partner gefunden haben. Auf diese Weise bekommen wir einen Einblick in soziale Berufe. Außerdem können Berührungsängste zu Menschen mit Behinderungen abgebaut werden, denn die Diakonie Stetten ist ja auch mit einem Wohnhaus hier in Ebersbach vertreten“, erklärte Oliver Hein, Lehrer an der Raichberg Realschule und zuständig für Berufsorientierung. Durch die Kooperation bekämen die Schülerinnen und Schüler einen Einblick, was es bedeute, im Alltag auf andere Menschen oder Hilfsmittel angewiesen zu sein.
Im Förder- und Betreuungsbereich für Menschen mit schweren Behinderungen in der Alten Tuchfabrik sowie im Wohnhaus der Diakonie Stetten erklärte Michael Pfisterer von den Remstal Werkstätten den Schülerinnen und Schülern, was es bedeutet, eine Behinderung zu haben: „Die Menschen hier im Förder- und Betreuungsbereich sind auf dem Entwicklungsstand von Kindern im Kindergartenalter. Sie konnten aufgrund verschiedenster Gründe bestimmte Entwicklungsschritte nicht machen und haben z. B. nicht gelernt, wie man spricht. Deshalb fördern die Mitarbeitenden die Menschen mit unterschiedlichen Materialien, damit sie selbständig werden“. Es gehe immer darum herauszufinden, was der Menschen mit Behinderung benötige, um selbständig zu werden. Die Schülerinnen und Schüler lauschten gespannt den Erklärungen, und stellten interessiert Fragen.