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Jeder gibt sein Bestes
Familie Pohl ist eine der vielen Familien mit Kind mit Behinderungen, die während der Hochphase der Corona-Pandemie unter mehrfacher Belastung litten, da ihr Sohn von heute auf morgen von zuhause aus beschult werden musste. Bettina Pohl und ihr Sohn Dominik erzählen gemeinsam mit Fachlehrer Domenico Murrone von der Theodor-Dierlamm-Schule der Diakonie Stetten, wie sie diese schwierige Zeit gemeistert haben und welchen Herausforderungen sie sich auch jetzt noch stellen müssen.
Als am 17. März wegen der Corona-Pandemie die Schulen geschlossen wurden, begann für Bettina Pohl eine Zeit, die für sie enorm kräftezehrend war. Die Mutter von drei Kindern ist berufstätig und musste neben ihrer täglichen Arbeit als selbständige Direktvertrieblerin ihre drei Kinder unterschiedlichen Alters betreuen und beim Fernunterricht unterstützen. Der jüngste Sohn besucht eigentlich den Kindergarten, der mittlere Sohn ist in der Realschule und der 16-jährige Dominik geht in die Theodor-Dierlamm-Schule der Diakonie Stetten. „Wir haben drei Kinder mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und da ich selbständig arbeite, musste ich zudem ständig erreichbar sein. Dominik hat so tolle Fortschritte in der Theodor-Dierlamm-Schule gemacht und mein Anspruch war, diesen Stand halten zu können. Aber ich bin in dieser Zeit wirklich an meine Grenzen gekommen“, erzählt die 45-Jährige, die mit ihrem Mann und den drei Kindern in Korb wohnt.
Domenico Murrone ist Fachlehrer für Sonderpädagogik an der Theodor-Dierlamm-Schule und hat sich gemeinsam mit seiner Kollegin sofort nach Bekanntwerden der Schulschließungen Gedanken gemacht, wie der Unterricht für die Jugendlichen mit Behinderungen gestaltet werden könnte. „Wir haben Briefumschläge mit Arbeitsblättern gefüllt und für die Schüler nach ihrem individuellen Kenntnisstand und ihren Fähigkeiten Aufgaben zusammengestellt“, erzählt der 46-Jährige. Zunächst mussten erst einmal die zwei Wochen bis zu den Osterferien überbrückt werden. „Es gab ganz viel Ungewissheit bei den Schülern, Eltern und auch uns Lehrern und wir konnten keine Antworten geben“. Nach einer Weile konnten die Lehrer die Schüler dann mithilfe digitaler Medien, wie z. B. einer Lernapp, einer „Hausi-Cloud“ und Webmeeting unterrichten. „Am Anfang war das mit der Technik jedoch nicht so einfach. Die Schüler kannten sich damit nicht aus und daher mussten die Eltern unterstützen“. Die ersten virtuellen Treffen mit der gesamten Klasse waren schwierig: „Unsere Arbeit lebt von Mimik und Gestik. Augenkontakt ist über die Kamera nur schwer möglich oder auch Handführung geht nicht. Wenn ich einem Schüler auf die Schulter klopfe, dann fühlt er sich angesprochen und bestätigt. Das fehlt natürlich alles beim Fernunterricht“, erklärt Domenico Murrone. Zudem gehe es bei der Bearbeitung der Aufgaben nicht nur um das Ergebnis, sondern um den Weg, wie ein Schüler mit Behinderung die Aufgaben umsetzt. „Frau Pohl muss mit ihrem Sohn mit meinem Material arbeiten, was nicht einfach ist. Ich habe mit den Aufgaben eine Intention. In der Schule sehe ich, wie Dominik lernt. Ob er über- oder unterfordert ist und wie er sich konzentrieren kann. Dadurch kann ich die Aufgaben immer wieder neu nach seinen Bedürfnissen ausrichten.“
„Ich habe Rechenaufgaben gemacht und Lesen und Rechnen geübt“, erzählt Dominik. Für ihn war es anfangs komisch, nicht mehr in die Schule zu gehen. „Ich vermisse meine Freunde“, sagt er und kuschelt sich liebevoll an seine Mutter. „Als Kind hatte Dominik noch viele Freunde aus dem Dorf. Doch jetzt mit 16 ist der Unterschied einfach zu groß und er vermisst die anderen Jugendlichen aus der Schule“, sagt Bettina Pohl. Glücklicherweise habe er noch zwei Geschwister, so dass er nicht ganz alleine sei. Morgens ging Bettina Pohl mit dem Kleinsten und Dominik sowie dem Hund eine große Runde spazieren. „Dann waren die zwei schon mal etwas ausgepowert“, lacht sie. Anschließend folgten rund drei Stunden Schulaufgaben, während der kleine Bruder im Zimmer herumsprang. „Da war es für Dominik sehr schwierig sich zu konzentrieren und ich war nach den drei Stunden ebenfalls durch. Wir Familien mit Kindern mit Behinderungen sind nach meinem Gefühl vom Staat einfach vergessen worden“, resümiert sie. Inzwischen findet für Dominik wieder jede zweite Woche Präsenzunterricht in der Theodor-Dierlamm-Schule statt. Das ist zwar schon wieder eine Entlastung, aber für Bettina Pohl noch nicht ausreichend genug. Hinzu kommt, dass Dominik in der Woche, in der kein Unterricht stattfindet, wieder viel vergisst. „Ich gebe mein Bestes, aber ich bin nun mal keine Sonderpädagogin und ich habe einfach die Sorge, dass er viel von dem verlernt, was er die letzten Jahre gelernt hat“, sagt Bettina Pohl.
Zudem nimmt Dominik eigentlich regelmäßig an den Angeboten der Offenen Hilfen oder an Ferienbetreuungen teil, die zurzeit ebenfalls noch nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden. „Ich reite und schwimme in meiner Freizeit gerne, aber das geht gerade wegen Corona noch nicht“, erzählt Dominik. Einen Vorteil hatte für ihn die Hochphase der Coronazeit: „Ich habe ein neues Zimmer bekommen und wir haben jeden Mittag alle zusammen gegessen“, freut er sich. Trotzdem hofft er, wie auch seine Mutter, dass bald wieder der normale Alltag einkehrt und er wieder „neue Dinge lernen kann“.