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Frieden wird ganz wesentlich im Kleinen gebaut - Ex-Botschafter Rüdiger von Fritsch referierte beim Ethikforum der Diakonie Stetten über Friedensethik

Kernen-Rommelshausen, 19. November 2024 – Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, referierte im Rahmen des zehnten Ethikforums der Diakonie Stetten im Bürgerhaus in Rommelshausen über Friedensethik. Der Diplomat und ehemalige Praktikant der Diakonie Stetten berichtete aus seinen persönlichen Erfahrungen, die er in rund 30 Jahren in der Weltpolitik gemacht hatte. Er sprach sich dafür aus, sich nicht von Hass und Angst leiten zu lassen, sondern sich vielmehr mit Zuversicht und Selbstvertrauen für den Frieden im Kleinen einzusetzen.

Mehr als 150 Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten gespannt den Worten des prominenten Gastes, der sich bereits vor seinem Vortrag Zeit genommen hatte und bei einem Rundgang über das Gelände der Diakonie Stetten Einblick in die Geschichte der Einrichtung und die aktuelle Arbeit gewann. 1974 absolvierte Rüdiger von Fritsch mit 20 Jahren ein Praktikum auf der damaligen Hangweide, das ihm als sehr prägend in Erinnerung geblieben ist: „Ich dachte, ich komme um zu helfen, dabei wurde mir geholfen“. Rüdiger von Fritsch beindruckte es besonders, „welche Kraft die Menschen mit Einschränkungen damals aus den christlichen Botschaften zogen“ und er „lernte Demut“. Während seiner Zeit auf der Hangweide bereitete er die Flucht eines Vetters aus der DDR vor und diese Erfahrung prägte ihn derart, dass er sich „für den Auswärtigen Dienst bewarb“. Durch seine Großeltern hatte er bereits in Kindheitstagen eine gewisse „Nähe und Sympathie für die Kultur Russlands“ kennengelernt, die jedoch gleichzeitig „mit der Angst vor der Roten Armee“ einherging.

Beim anschließenden Ethikforum im Bürgerhaus Rommelshausen begrüßte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Pfarrer Dr. Friedemann Kuttler die Zuhörerinnen und Zuhörer und verdeutlichte, wie ihn der Krieg in der Ukraine besorgt: „Nach über 70 Jahren haben wir wieder einen Krieg vor der Haustür. Frieden darf kein Zufallsprodukt der Geschichte sein. Frieden beginnt bei uns im Kleinen und wir tragen alle eine dauernde Verantwortung dafür. Dazu will auch unser Ethikforum einen Beitrag leisten“. Anschließend folgten beeindruckende Worte einer jungen Frau, die vor einigen Jahren am eigenen Leib erfahren musste, was es bedeutet, Todesängste ausstehen zu müssen: Die 18-jährige berichtete ergreifend, wie sie mit elf Jahren aus Syrien über die Türkei nach Deutschland geflohen war. „Es waren viele Menschen auf dem Boot und viele sind gestorben. Ich danke den Menschen, die mich begleitet haben und immer noch unterstützen“. 

Rüdiger von Fritsch war viele Jahre Diplomat und traf Wladimir Putin während seiner Zeit in Moskau persönlich: „Putin interessieren unsere Regeln von Demokratie nicht, er setzt sich mit Gewalt durch und er wird sich nur ermutigt fühlen, wenn man ihm einen Teil der Ukraine gibt. Das hatten wir mit Adolf Hitler schon einmal“. Russland wolle möglichst viel Angst verbreiten. „Angst ist eins der wichtigsten Exportgüter Russlands“, erklärte der ehemalige Botschafter, der mit seiner Familie rund 30 Jahre neben Moskau unter anderem in Polen, Nairobi und Brüssel gelebt hatte. Zu plädieren, die Ukraine müsse mit Russland einen Waffenstillstand vereinbaren, sei verlockend einfach, besonders aus der ausländischen Perspektive heraus. „Wir erklären den Ukrainern, dass wir den Konflikt loshaben wollen und dass sie deshalb auf Demokratie, Recht und Freiheit verzichten sollen“. Der 70-Jährige sprach sich dafür aus, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Es sei wichtig, dass Westeuropa geschlossen hinter der Ukraine stehe, zur Not auch ohne die Unterstützung der USA. Frieden hätte für den ehemaligen KGB-Chef Wladimir Putin keine Relevanz. „Aber Putin muss sich ständig die Zustimmung seines eigenen Volkes holen und er weiß auch, dass dieses nicht beliebig lange stillhalten wird“, so Rüdiger von Fritsch. Krisen habe es immer gegeben, auch in der Vergangenheit und er warf einen Blick auf das Jahr 1974, in dem Deutschland und Europa geteilt waren, der Vietnamkrieg herrschte, die RAF Terroristen ihr Unwesen trieben „und sich Frauen noch die Zustimmung ihrer Ehemänner holen mussten, wenn sie arbeiten wollten“.

Nach einer Kreativpause, in der die Gäste selbst überlegen konnten, was für sie Zuversicht bedeutet und wo sie diese erleben können, resümierte Rüdiger von Fritsch: „Wir brauchen mehr Zuversicht und Selbstvertrauen. Wir können und dürfen es uns nicht einfach machen, sondern müssen den Menschen beistehen. Frieden beginnt ganz wesentlich im Kleinen, z. B. beim Interesse am anderen und in unserem täglichen Miteinander. Wir dürfen uns nicht von Hass und Angst leiten lassen“.
 

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