• Diakonie Stetten
  • Alexander-Stift
  • Neuigkeiten

„Erhebliche Mehrbelastungen“ - Vorstände der Diakonie Stetten und Geschäftsführerin des Alexander-Stifts kritisieren neues Infektionsschutzgesetz

Kernen-Stetten, 22. September 2022 – Das neue Infektionsschutzgesetz treibt die massiven Benachteiligungen für Pflegeeinrichtungen noch weiter auf die Spitze. Die beschlossenen Regelverschärfungen für Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe benachteiligen einmal mehr die ohnehin stark belasteten Mitarbeitenden und Bewohner, kritisieren Rainer Hinzen, Dietmar Prexl und Gaby Schröder.

Bereits vor einigen Tagen hatten alle drei öffentlich sehr deutlich Kritik am Maßnahmenpaket der Bundesregierung für den Corona-Herbst geübt, vor den immer weiter steigenden Belastungen für Mitarbeitende und Betreute gewarnt und eine gerechtere Verteilung der Pandemielasten angemahnt. Die jetzt von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Regelungen veranlassen sie zu neuerlicher Kritik.

Ab Oktober müssen Heimbewohner laut Gesetz zu ihrem eigenen Schutz FFP2-Masken tragen, sobald sie ihr persönliches Zimmer verlassen. Diese Vorgabe bedeutet für Menschen mit Behinderung und Menschen in Pflegeeinrichtungen eine massive Sonderbehandlung und ist ein großer Rückschlag für alle Bemühungen um Inklusion und Normalität für die betroffenen Menschen. Diese wohnen mittlerweile in familienähnlichen Wohnungen und Wohnarrangements und sollen nun Masken tragen, wenn sie mit ihren Mitbewohnern am Tisch sitzen oder gemeinsam fernsehen.

Pfarrer Rainer Hinzen und Dietmar Prexl, die Vorstände der Diakonie Stetten, appellieren an die Politik, diese Konsequenzen des Gesetzes nicht einfach zu ignorieren. Mit dem vermeintlichen Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit dürfe keine diskriminierende Sonderwelt geschaffen werden.  „Bitte setzen Sie das Gesetz an dieser Stelle aus.“ Der Vorstandsvorsitzende Rainer Hinzen sieht darüber hinaus erhebliche Mehrbelastungen auf die Einrichtungen zukommen: „Das neue Gesetz verlangt von uns nicht nur, dass wir zusätzliche personelle Ressourcen für die verpflichtenden Testungen schaffen, sondern auch noch, dass wir verantwortliche Personen benennen, die sich um die Umsetzung der Maßnahmen kümmern. Als ob wir nicht schon seit Beginn der Pandemie mit großem Aufwand sämtliche geforderten Schutzmaßnahmen organisieren und umsetzen würden.  Die neuen Vorgaben bedeuten für uns einen erheblichen Mehraufwand, den wir angesichts der stark angespannten Personalsituation nicht noch zusätzlich schultern können. Ganz abgesehen davon, dass wir diese Maßnahmen auch noch aufwendig dokumentieren sollen und dass das Gesetz für die Zusatzaufgaben in der Eingliederungshilfe keinerlei finanziellen Ausgleich vorsieht. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, bei der immer noch unklar ist, wie lange sie noch gilt, verursacht schon genug Unmut und zusätzliche Bürokratie. Nach mittlerweile zweieinhalb Jahren, in denen wir intensives Corona-Krisenmanagement betreiben, ist das Gesetz ein weiterer Baustein, der uns daran zweifeln lässt, dass die Politik den Ernst der Lage unserer Einrichtungen begriffen hat. Die Leidtragenden sind die Menschen mit Behinderung oder Pflegebedarf und die Mitarbeitenden in der Betreuung und Pflege.“

Auch in den Pflegeheimen des zur Diakonie Stetten gehörenden Alexanderstifts werden die neuen Regelungen zu erheblichen Einschränkungen und Belastungen für Bewohner und Pflegepersonal führen. Für Geschäftsführerin Gaby Schröder hat die verschärfte Maskenpflicht im Alltag fatale Konsequenzen für die Pflegebedürftigen: „Wir sprechen bei unseren Heimbewohnern von Menschen in der letzten Lebensphase, für die der Kontakt über Sprache und Mimik im Alltag immens wichtig ist, von Menschen, die ohnehin oft nicht mehr gut hören können. Die Gesichter und das Lächeln von Pflegenden und Angehörigen sehen zu können, wurde ihnen seither schon versagt.  Nun dürfen sie in unseren Wohnküchen und Aufenthaltsbereichen nicht einmal mehr ihren Mitbewohnern ins Gesicht schauen.“ Schröder appelliert an die Politik, die Lebensqualität der Bewohner nicht hinter den Gesundheitsschutz zu stellen.  „Das ist aus ethischer Sicht und im Hinblick auf die Grundrechte in höchstem Maße bedenklich. Aber auch im Hinblick auf den Infektionsschutz ist die Maskenpflicht für Bewohner völlig unsinnig, weil die Regel nicht mehr gilt, sobald die Bewohner die Pflegeeinrichtung verlassen - zum Beispiel, wenn sie von den Angehörigen abgeholt werden.“

Auch für alle Mitarbeitenden in der Pflege soll die FFP2-Maskenpflicht nun wieder durchgehend gelten. In den letzten Monaten hatten sie die Möglichkeit, eine medizinische Maske bzw. einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, die im Schichtdienst mit zum Teil sehr anstrengender körperlicher Arbeit weniger belastend war.

„Die Regeln sind speziell für uns jetzt noch schärfer als im vergangenen Corona-Winter. Das ist in der jetzigen Pandemie-Situation völlig absurd“, ärgert sich Schröder und verweist auf die ebenfalls verschärften Testpflichten: „Unsere Mitarbeitenden, die seit Beginn der Pandemie die Hauptlast beim Schutz vulnerabler Personen tragen, müssen sich jetzt drei Mal die Woche unter Aufsicht testen lassen. Ein Selbsttest, wie er seither noch möglich war, ist jetzt nicht mehr zulässig. Das ist für unser geschultes Fachpersonal, das schon seit zweieinhalb Jahren gegen die Pandemie kämpft und nahezu vollständig geimpft ist, ein Schlag ins Gesicht. Das erhöht aber auch unseren organisatorischen und personellen Aufwand in erheblichem Maße. Der in Aussicht gestellte finanzielle Ausgleich deckt diesen Zusatzaufwand nicht annähernd ab. Am Ende bedeutet es wieder, dass unsere wertvollen Fachkräfte nicht die Bewohner pflegen, sondern am Eingang stehen, um Tests durchzuführen und Testergebnisse zu kontrollieren.“

Mit einem eindringlichen Appell wendet sich Schröder an die Politik: „Dieses Gesetz zu einseitigen Lasten der Pflegebedürftigen und der Pflegekräfte muss dringend nachgebessert und die Lasten des Pandemieschutzes müssen dringend auf mehrere Schultern verteilt werden. Ebenso müssen die Pflegeheime aufgrund der weiteren zusätzlichen Aufgaben, die sie übernehmen müssen, wirtschaftlich entlastet werden.“
 

Zurück