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Die Erinnerung wachhalten - Iris Linge referiert über Zeit des Nationalsozialismus

Kernen-Stetten, 21. Januar 2021 – Seit 1996 ist der 27. Januar in der Bundesrepublik der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. In der Diakonie Stetten wird die Erinnerung an die ermordeten Menschen mit Behinderungen auf verschiedene Weise wachgehalten. Seit 2016 finden z. B. regelmäßig Seminare für Menschen mit Behinderungen statt, in denen über die Zeit des Nationalsozialismus aufgeklärt wird. Iris Linge hat selbst bei einem der ersten Seminare teilgenommen und referiert inzwischen vor Auszubildenden der Heilerziehungspflege in der Ludwig Schaich Akademie (LSAK).

Rund 30 Auszubildende der Heilerziehungspflege kamen aufgrund des Lockdowns per Webmeeting zusammen, um dem Vortrag über die Zeit des Nationalsozialismus von Iris Linge zu folgen. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl gab es zunächst technische Probleme. Doch als alle ihre Kamera ausgeschaltet hatten, konnte Iris Linge starten: „Ich war bei der zweiten Fahrt zur Gedenkstätte Grafeneck dabei. Wir sind mit dem Bus hingefahren und haben uns alles angeschaut. Damals war da eine Gaskammer in der die Leute umgebracht wurden. Sie haben gedacht, es wäre eine Dusche und einer hat von außen geschaut, ob alle tot sind. Dann kamen die nächsten dran“, erzählt Iris Linge, die in einer Wohngruppe der Diakonie Stetten in Rommelshausen wohnt. Christa Rommel, Referentin für Bildung und Qualifizierung in den Remstal Werkstätten, hat in den vergangenen Jahren gemeinsam mit den Teilnehmenden ein umfassendes Projekt über die Zeit des Nationalsozialismus gestartet, das immer weitere Kreise zog. So entstand z. B. eine umfangreiche Kooperation mit der Gedenkstätte Grafeneck. Daneben haben die Teilnehmenden der Fortbildungen sowie Schülerinnen und Schüler der Theodor-Dierlamm-Schule gemeinsam mit zwei Studentinnen der Hochschule Ludwigsburg Unterrichtsmaterial in einfacher Sprache über die Zeit des Nationalsozialismus erarbeitet. „Die Anregung, über dieses schwere Thema im Rahmen von Fortbildungen zu sprechen, kam von einem Mitarbeiter mit Behinderungen aus den Remstal Werkstätten. Von dem großen Interesse und dem Engagement, sich diesem Thema auf verschiedene Art und Weise anzunähern, waren wir überwältigt. Wir hatten in den vergangenen Jahren immer mehr Anmeldungen als Plätze zur Verfügung“, erzählt Christa Rommel den Auszubildenden. Sie unterstützt Iris Linge und ihren Mitreferenten Simon Brög bei den Vorträgen. Bereits drei Seminare haben die beiden im vergangenen Jahr in der LSAK in Präsenz abgehalten.

„330 Menschen aus der Anstalt Stetten wurden zur Zeit des Nationalsozialismus in Grafeneck ermordet. Insgesamt wurden dort über 10 000 Menschen mit Behinderungen umgebracht“, erklärt Iris Linge und zeigt in ihrer Präsentation ein Foto von den Tonfiguren des Künstlers Jochen Meyder, die für die Opfer stehen. „Herr Meyer hat 330 Tonfiguren nach Stetten gebracht. Die Hälfte der Menschen, die damals in der Anstalt Stetten lebten, sind vergast worden“, weiß Iris Linge. Die Teilnehmenden der Fortbildungen hätten eine Wandzeitung erstellt, auf der sie niederschrieben, was sie zum Thema beschäftigte. „Wir haben aufgeschrieben, was wir bei dem Thema fühlen und was uns ärgert. Wir kritisieren, dass die Zeit des Nationalsozialismus nicht Teil des Bildungsplans an Sonderschulen ist“, betont Iris Linge. Zum Unterrichtsmaterial in einfacher Sprache gehören auch kurze Filme, die die Teilnehmenden gemeinsam mit den Studentinnen erstellt haben. Sobald die Corona-Pandemie vorbei ist, möchten Iris Linge und Simon Brög mit Führungen über die Zeit des Nationalsozialismus am „Stein des Gedenkens“ auf dem Gelände der Diakonie Stetten beginnen.

Die Auszubildenden zur Heilerziehungspflege loben das große Engagement und Interesse am Thema von Iris Linge und Simon Brög. „Ich finde es gut, dass Menschen mit Behinderungen einen Bildungsauftrag darin sehen, andere über dieses schwierige Thema zu informieren und aufzuklären“, sagt eine Auszubildende. Für den Vorstandsvorsitzenden der Diakonie Stetten Pfarrer Rainer Hinzen ist es wichtig, „dass die Erinnerung über die Zeit des Nationalsozialismus wachgehalten wird und dass auch Menschen mit Behinderungen über diese furchtbaren Geschehnisse aufgeklärt werden“. „Die Fortbildungen für Menschen mit Behinderungen über die Zeit des Nationalsozialismus entwickeln sich immer weiter und die Teilnehmenden bringen hier aktiv ihre Ideen ein und gestalten mit. Das finde ich richtig und gut“, so Pfarrer Rainer Hinzen. Seit Start der Fortbildungen sei schon viel zum Thema entwickelt worden und er sei gespannt, welche Ideen in Zukunft die Fortbildungen weiter bereichern würden. 

Information:

Die Unterrichtsmaterialien über die Gedenkstätte Grafeneck in leichter Sprache werden in Kürze auch auf der Seite der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg beim Fachbereich Gedenkstättenarbeit einzusehen sein.

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