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Alle wollen nur das Beste - Wie ethische Fallbesprechungen Notsituationen vermeiden können
Kernen-Stetten, 19. Mai 2023 – In einer Einrichtung wie der Diakonie Stetten sind ethische Entscheidungen nicht selten von großer Tragweite, denn sie betreffen die Menschen, die hier betreut werden und geben deren Leben eine bestimmte Richtung. Die Diakonie Stetten hat deshalb seit zwölf Jahren ein interdisziplinäres Ethikkomitee sowie das Instrument der ethischen Fallbesprechungen, um in Notsituationen Hilfestellung zu geben. Nach der coronabedingten Pause hat sich das Ethikkomitee der Diakonie Stetten neu aufgestellt.
Im November fand bereits die konstituierende Sitzung statt. Trotz der coronabedingten Pause ruhte die ethische Arbeit in den vergangenen drei Jahren nicht, sondern das Leitungsteam des Ethikkomitees um Pfarrerin Nancy Bullard-Werner, Pfarrer Matthias Wanzeck und Sonderpädagoge Alexander Rittberger erarbeitete ein neues Konzept für die ethische Arbeit in der Diakonie Stetten. So gibt es nun ein Kernteam, das aus dem Leitungsteam sowie dem externen Mitglied Janina Loh von der Stiftung Liebenau besteht. Daneben sind Mitarbeitende der sieben Geschäftsbereiche vertreten sowie weitere Mitglieder, wie z. B. aus dem Fachdienst FABIAN, der Pressestelle sowie aus dem Gesundheitszentrum.
„Die Corona-Pandemie war in den vergangenen Jahren auch im Hinblick auf die Lösung ethischer Konfliktsituationen ein großes Hindernis. Bis zur Pandemie wurden wir regelmäßig angefragt, doch dann gab es einen großen Bruch, da alle mit anderen Themen beschäftigt waren. Das bedeutet jedoch nicht, dass solche Konfliktsituationen in dieser Zeit nicht vorkamen“, sagt Nancy Bullard-Werner. Umso wichtiger sei es deshalb, darauf wieder aufmerksam zu machen. Ethische Fragestellungen betreffen alle Lebensbereiche: Angefangen bei der praktischen Lebens- und Freizeitgestaltung, über die Schule, den Beruf bis hin zu Entscheidungen bei medizinischen Behandlungen und am Lebensende.
Alexander Rittberger gibt ein Beispiel, wie eine ethische Fallbesprechung in einer Konfliktsituation für eine Mitarbeiterin eine Lösung bot: „Es ging um eine Klientin, die bereits seit vielen Jahren in einer Wohngruppe gelebt hatte und inzwischen einen intensiven Pflegebedarf hatte. Es war jedoch so, dass nur eine Mitarbeiterin diese Pflegeleistung verrichten konnte. Zwar wurde bereits ein ambulanter Pflegedienst hinzugezogen, allerdings musste die Mitarbeiterin trotzdem noch viele pflegerische Aufgaben übernehmen. Das brachte sie in einen Gewissenskonflikt gegenüber den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern der Gruppe“. Bei dieser ethischen Fallbesprechung ging es um die Fragestellung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit gegenüber dem Rest der Gruppe. „Die anderen Mitarbeitenden waren ein Stück weit hilflos, da sie die pflegerischen Tätigkeiten nicht übernehmen konnten. Die betroffene Mitarbeiterin machte diese gerne, allerdings beschäftigte sie zusehends die Fragestellung, ob der intensive Zeitaufwand für die eine Klientin noch professionell sei“, erläutert Alexander Rittberger. In der ethischen Fallbesprechung mit den betroffenen Mitarbeitenden sowie den Bewohnerinnen und Bewohnern stellte sich heraus, dass der Pflegeaufwand der Mitarbeiterin für die anderen so in Ordnung war. „Die Mitarbeiterin erhielt viel Zuspruch und dies beruhigte sie“, so Alexander Rittberger.
„Wir nehmen immer wieder wahr, dass solche und ähnliche Konfliktsituationen für Mitarbeitende und Angehörige zu großem psychischen Stress führen und sie dadurch manchmal in richtige Notlagen kommen. Oft stehen die Mitarbeitenden zwischen den Stühlen, da sie das Beste für die Betreuten wollen, aber gleichzeitig die Ansichten der Angehörigen mitgeteilt bekommen“, sagt die Leiterin des Ethikkomitees Pfarrerin Nancy Bullard-Werner. Die ethischen Fallbesprechungen bieten eine wichtige Unterstützung, da hier Empfehlungen erarbeitet werden. „Es geht an erster Stelle darum, dass wir eine bestmögliche und ethisch begründete Empfehlung abgeben, damit Menschen gut und würdevoll leben können und ihr Recht auf Autonomie und Fürsorge gewahrt wird. Ich bin immer sehr erleichtert, wenn wir zu einer Lösung kommen. Dabei haben wir oft ein ´Aha-Erlebnis´, indem wir merken, dass alle eigentlich nur das Beste für die betreute Person wollen.“ So hat die Pfarrerin in den vergangenen Jahren viele „verfahrene Situationen gesehen“ und für sie ist es „erfüllend und auf schöne Art und Weise anstrengend“, wenn eine gute Lösung gefunden wird.